Bericht III
CHATEAU DE SADE
Ich liege im Hotelbett, genehmige mir noch eine kleine Nachmittagsruhe vor der bevorstehenden Partynacht. Da klingelt das Telefon. Die Rezeption. Für mich wurde ein Brief abgegeben. Ich schlüpfe schnell in ein Kleid und eile hinunter. Der große Umschlag trägt keinen Absender, aber ich ahne schon, was er enthält. Ich fetzte ihn auf.
Meine Anklage!
„Die Angeklagte ist mit einem Sklavenvertrag an ihren Herrn gebunden. Nach diesem Vertrag hat sie ihrem Herrn sexuell perfekt zu dienen. In diesem Punkt gibt es auch keinen Grund zur Klage (wobei allerdings zu vermuten ist, dass der Gehorsam der Sklavin aufgrund ihrer ausgeprägten Geilheit höchst eigennützig ist). Darüber hinaus genießt die Sklavin ein außerordentliches Privileg. Es ist ihr gestattet, ein völlig frei bestimmtes Sexualleben zu führen. Sie darf, wann immer es ihr gefällt, es mit Männern und Frauen ihrer Wahl treiben oder sich selbst befriedigen. Nun ist es leider so, dass die Sklavin diese Großzügigkeit ihres Herrn zwar oft und gern genießt, die damit verbundenen Pflichten jedoch sträflich vernachlässigt. Sie ist nämlich umfassend berichtspflichtig und hat über ihr Sexualleben ein Tagebuch zu führen, welches für ihren Herrn jederzeit einsehbar ist. Alle berichtspflichtigen Handlungen sind umgehend, spätestens jedoch innerhalb 24 Stunden, im Tagebuch der Sklavin zu dokumentieren. Bedauerlicherweise hat die Angeklagte in den zurückliegenden Monaten ihre Berichtspflichten fortwährend verletzt. Sie ist dabei sogar so dreist, selbst solche Erlebnisse zu unterschlagen, bei denen ihr Herr persönlich zugegen war. Nachdem Ermahnungen, Verwarnungen und Sanktionen die Angeklagte nicht zur Umkehr bewegen konnten, muss sie nun die ganze Härte der Willkürgerichtsbarkeit des Marquis treffen.“
Und dann, in Fettschrift, das gewünschte Strafmaß: „ Die Angeklagte möge zu vier Wochen totalem Sexentzug verurteilt werden , zu vollziehen durch Anbringen eines Keuschheitsgürtels.“
Mein Herr hat seine Drohung also wahr gemacht. Nicht nur, dass er mich vor das Gericht des Marquis zerrt, nein, er beantragt auch noch die Höchststrafe. Gut möglich, dass er ohne mein Wissen einen entsprechenden Gürtel hat fertigen lassen. In Kenntnis der notwendigen Maße ist er jedenfalls. Ich bin sprachlos, als ich ins Zimmer zurückkehre. Mein Herr schläft selig. Und in meinem Kopf fahren die Gedanken Achterbahn. Hat mein Herr wirklich...? Wenn ja, ist der Abend gelaufen. Von den nächsten vier Wochen ganz zu schweigen. Muss ich gar in die erste Sitzung? Und wird die Strafe gleich vollstreckt? Dann kann ich mich den Rest des Abends nur noch mit dem Büfett vergnügen. Wenn schon, wie verhindere ich wenigstens die unendlich lange Zeitspanne von vier Wochen? Ich grüble, kann natürlich nicht einschlafen, baue eine Verteidigungsstrategie nach der anderen auf, um sie gleich wieder zu verwerfen. Komme nach einer Stunde zu dem Schluss, am besten in Angesichts des hohen Gerichts spontan zu agieren und sicherheitshalber, bevor wir ins Chateau de Sade aufbrechen, den Sklavenvertrag noch einmal zu lesen. Als ich immer noch nicht einschlafen kann, greife ich zu einem probaten Mittel und wichse mich kurz, bis ich komme. Daraufhin versinke ich in einen tiefen, erholsamen Schlaf.
Vier Stunden später...
Mein Herr hat meine Bekleidung für heute Abend ausgesucht. Auf dem Weg ins Chateau de Sade zu Milkersdorf darf ich einen silberfarbenen Lackmantel und Plateau-Heels tragen. Sonst nichts ... außer dem gewaltigen stählernen Halsreif mit Öse, der meinen Sklavenstatus für jedermann sichtbar macht. Leider hat der Bus zum Chateau Verspätung, weshalb ich in diesem Aufzug eine Viertelstunde in der Hotelhalle sitzen und mich von zwei Rentnerbusgesellschaften begaffen lassen muss. Im Schloss angekommen, darf ich meinen Silbermantel gegen einen grünen Samtumhang und die Plateauschuhe gegen hochhackige Pumps mit Riemchen um die Fußfesseln tauschen. Geigenmusik erklingt und zur Begrüßung wird Sekt gereicht. Wir passieren den Tisch von Herrn P., auf dem allerlei Peitschenzeugs und Fesseln zum Kauf feilgeboten werden. Ich frage spontan, ob er auch Keuschheitsgürtel im Angebot hat. Prinzipiell ja, sagt er, aber er habe nichts zum Zeigen hier vor Ort, da es sich bei diesen Vorrichtungen immer um Sonderanfertigungen handle, die auf Maß gearbeitet werden. Ein Silberstreif Hoffnung am Horizont, der aber schnell wieder verfliegt. Wer weiß, vielleicht ist P. eingeweiht worden von meinem Herrn? Mir ist ganz mulmig. Ich muss was essen. Zwanzig Minuten später bin ich zwar satt, aber mir ist angesichts des nahenden Gerichtstermins furchtbar heiß in meinem Mantel. Ich bitte meinen Herrn, die Abendgarderobe noch einmal tauschen zu dürfen. Und siehe da: ich darf. Nun trage ich eine brust- und mösenfreie schwarze Lackcorsage und einen offenen roten durchsichtigen Mantel. An meiner misslichen Lage ändert das zwar nichts, aber wenigstens schwitze ich nicht mehr.
Punkt 22 Uhr rufen Glockenschläge zum Gericht des Marquis. Ich folge meinem Herrn in den Verhandlungssaal. Der Marquis läutet die Verhandlung ein, beruft Herrn P. und einen weiteren Herrn aus dem Auditorium als Beisitzer. Sodann werde ich aufgerufen, muss mich auf einen niedrigen Hocker vor den Gerichtstisch knien und zuhören, wie der Marquis genüsslich die Anklageschrift dem zahlreich erschienenen Publikum verliest. Mir ist heiß. Ich bin angespannt. Nervös rutsche ich auf dem Hocker hin und her. Schließlich fragt der Marquis mich, ob die Anklage zutreffend sei. Ich bejahe und werfe ein, dass man bei der Urteilsfindung bitte auch in Betracht ziehen soll, wie umfangreich die von mir geforderte Berichtspflicht ist und wie kurz die dafür zur Verfügung stehende Zeitspanne. Der Marquis kann sich das nicht recht vorstellen und verlangt ein Exempel. Er fordert mich auf, mit dem Gesicht zum Publikum die pflichtgemäß zu berichtenden Ereignisse des vergangenen Abends vorzutragen. Mir stockt der Atem. Das trifft mich völlig unvorbereitet. Da habe ich mir gar nichts zurecht gelegt. Ich soll also ... und das vor fremden Leuten?! Ich fasse mich wieder, schnappe nach Luft und fange erst einmal ordnungsgemäß mit einer ausführlichen Beschreibung der Spielregeln der Casino-Party vom gestrigen Abend an. Den Marquis als Veranstalter ebendieser Partys interessiert das nicht die Bohne. Er schneidet mir das Wort ab und gibt mir mit Nachdruck zu verstehen, ich möge hier ergebnisorientierter berichten. – Ich kann doch unmöglich vor diesem Publikum detailliert erzählen, wie und mit wem ich es gestern getrieben habe und welche Lust und welche Orgasmen ich erlebte. Um mich aus dieser misslichen Lage zu befreien, kürze ich den Bericht an den entscheidenden Stellen. – Sehr zum Missfallen des Marquis und meines Herren, der immer wieder mit hämischen Zwischenrufen einfällt und den Beweis für seine Anklage erbracht sieht. Ich bin schweißgebadet und darf mich zur Verkündigung des Urteils wieder vor das hohe Gericht knien.
Das Urteil fällt wie erwartet aus: Ich bin schuldig und höre nun aus dem Mund des Marquis die Strafe: 4 Wochen totaler Sexentzug durch Anbringen eines Keuschheitsgürtels! Der Marquis fordert meine Meinung zum Strafmaß. Ich versichere ihm, dass ich mir nie eine Kritik an der Strafe erlauben würde und übrigens laut § 6 Absatz 1 meines Sklavenvertrages dazu auch nicht befugt wäre. Mit einer unwirschen Handbewegung fegt der Marquis meinen Einwand vom Tisch und entbindet mich dieser Pflicht. So erleichtert, räume ich ein, dass ich die Strafe wohl akzeptiere, allein die Dauer ihres Vollzugs im Verhältnis zur Schwere meiner Verfehlungen vielleicht etwas zu lang bemessen ist. Es hat den Anschein, als bewirkten diese Worte ein kleines Wunder. Der Marquis und mein Herr geben mir in ihrer unendlichen Güte Gelegenheit zur Besserung. Ganz spontan stimme ich ihrem weisen Entschluss zu und bemerke zu spät, dass ich dem Marquis damit ins Wort gefallen bin. Dieser ahndet das sogleich, in dem er den Beisitzer P. auffordert, mir drei Streiche auf den Hintern zu erteilen – wegen Missachtung des Gerichts. Ich muss vor dem Publikum meine Pobacken entblößen und erhalte drei Hiebe, wobei jedes Mal ein anderes Schlaginstrument zum Einsatz kommt. Die Details bleiben mir verborgen, denn es geschieht ja hinter meinem Rücken. So gemaßregelt, darf ich mich wieder hinknien und der Marquis ergreift das Wort.
Er hat beschlossen, die Strafe zur Bewährung auszusetzen. Ich erwarte mit Spannung die Bewährungsauflagen des Marquis. Sie lauten: „Die Angeklagte hat ihre Erlebnisse der heutigen Nacht in einem ausführlichen Aufsatz und mit allen Details niederzuschreiben. Und damit sie hinreichend Stoff für ihre Niederschrift hat, möge sie der Gesellschaft des Marquis – gleich ob Männer oder Frauen – in dieser Nacht als Liebesdienerin zur Verfügung stehen. Damit jedermann von ihrem Status Kenntnis erlangt, hat die Angeklagte ihr Geschlecht zu entblößen und die Anschrift ÖFFENTLICHE HURE zu tragen. Die Gesellschaft des Marquis ist eingeladen, sich die ganze Nacht über an uns und mit der Delinquentin zu vergnügen. Die Beschriftung der Verurteilten, die Überwachung des Vollzugs und eine eventuelle Begnadigung obliegen dem Herrn der Angeklagten. Er ist auch befugt, die angedrohte Strafe zu vollziehen, sofern die Angeklagte gegen ihre Bewährungsauflagen verstößt.“ Ich darf mich erheben.
Mein Herr nimmt die entsprechende Beschriftung vor den Augen aller vor. Der Marquis befiehlt mir, diese im Kreis des Publikums vorzuzeigen und entlässt mich aus dem Angeklagtenstand. Ich bedanke mich bei meinem Herrn für seine Großzügigkeit. Ich habe in jener Nacht der Gesellschaft des Marquis aufopferungsvoll als Liebesdienerin gedient und hinterher treulich Protokoll geführt. Meine Bewährungsauflagen habe ich damit erfüllt, dem Keuschheitsgürtel bin ich entgangen. Dem nächsten Gerichtstag des Marquis fiebere ich freilich schon wieder mit wohligem Schrecken entgegen. Welche Verfehlung wird mein Herr dann zur Anklage bringen? Und wird der Marquis mir armen Sünderin wieder so gnädig sein?
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zu Story IV des Contest 2008